Auf der Charente im Frühjahr 2008
Es schwimmt ein Hausboot in Cognac...

10 Tage vom 23. Mai bis 2. Juni 2008

Boot: Locaboat Pénichette 1020FB
Basis: Cognac (Basis zwischenzeitlich geschlossen)

Obwohl wir ursprünglich andere Pläne gewälzt hatten, mussten wir im Zuge der Urlaubsvorbereitungen unser Hausboot-Revier wechseln und so kam Plan B zum Zuge: die Charente. Dies hatte für uns den Vorteil, dass wir aufgrund der geringen Reviergröße mit einer Mietdauer von 10 Tagen das Auslangen finden würden und den Rest unserer Urlaubstage mit dem Auto in Frankreich auf der Suche nach Kultur und Natur unterwegs sein konnten.
Wir verließen Wien am 20. Mai und fuhren in einer ersten Etappe über München nach Ulm, wo wir uns im Hotel Ibis einquartierten. Der nächste Tag führte uns über Straßburg und Toul nach Rolampont. Dieser kleine Ort liegt nahe der Autobahn A31 und direkt am Canal de la Marne à la Saône, unserem ursprünglichen Plan A, und den wollten wir uns auf unserer Anreise so nebenbei auch einmal anschauen. Die Übernachtung erfolgte im Hotel La Tuffière. Auf der dritten Tages-Etappe fuhren wir über Orléans und Poitiers nach La Rochelle, wo wir am alten Hafen im Hotel Ibis Zimmer bestellt hatten. Die Lage war wunderbar, nur Parkplätze waren Mangelware, weil wegen des bevorstehenden Volksfestes „La Cavalcade“ alle Abstellplätze mit Jahrmarktbuden und Ringelspielen angefüllt wurden. Am nächsten Vormittag machten wir noch einen Abstecher auf die Insel Île-de-Ré, dann nahmen wir die letzen 100 Kilometer in Angriff, die uns nach Cognac führten, wo wir unser Boot übernehmen sollten. 

Nachfolgend eine Zusammenfassung unseres Bordbuches:

Freitag, 23. Mai 2008
Wir erreichen die Basis gegen 13:30 Uhr. Der Basisleiter teilt mir mit, dass das Boot „fast“, aber noch nicht ganz fertig ist. So beschließen wir, gleich einmal zum Supermarkt zu fahren, um Lebensmittel einzukaufen. Den gewichtigen Teil der Einkäufe haben wir schon von Wien aus per Fax vorbestellt, damit wir nicht so viel schleppen müssen. Sicherheitshalber frage ich, ob die bestellten Lebensmittel schon an Bord seien, aber da wird er blass und gesteht, dass er unseren Bestellzettel vergessen hat. Also pfeifen wir auf den Service und kaufen, wie früher, alles selber ein.
Zurück vom Einkauf ist unser Boot bezugsfertig, ich kann mit dem Auto bis auf wenige Meter heranfahren und das Ausladen des Gepäcks und der Einkäufe geht sehr komfortabel über die Bühne. Die beiden gemieteten Fahrräder sind von bester Qualität, verfügen über 3-Gangschaltung und Vollgummibereifung. Das Reparatur-Klebeset an Bord ist wohl noch aus alten Tagen…
Mit dem Boot müssen wir uns erst anfreunden, da wir bisher noch nie mit einer Pénichette unterwegs waren. Jeder schaut in seinem Verantwortungsbereich nach, ob auch alles da ist, was wir nach der Inventarliste und unseren Erfahrungen dort erwarten. Regina entfernt aus ihrem Kleiderkasten eine verchromte, mehrfach geknickte Stange, die ihrer Meinung dort nichts zu suchen hat und will sie dem Basisleiter zurück geben. Der ist entsetzt: es handelt sich um das Notruder! Einen zweiten Klappstuhl erhalten wir nach einer längeren Nachdenkpause, ein Sonnenschirm ist nur gegen Miete oder Kauf erhältlich. Aufgrund des Wetterberichtes verzichten wir darauf. Der Drehknopf des Backrohres ist defekt und kann nur behelfsmäßig repariert werden, aber auch das hält nicht lange.
Nachdem der Basisleiter uns das Boot in allen Einzelheiten gezeigt und erklärt hat, verweist er für die Instruktionen zur Bootsführung und die touristischen Informationen auf seinen Mitarbeiter René, der offenbar deutscher Abstammung ist und alles sehr genau und geduldig erläutert. Leider ist er noch mit einem anderen Boot beschäftigt und so startet unsere Einschulung erst um 17:00 Uhr. Als wir endlich abfahren können, ist es bereits 17:50 Uhr, aber wir befinden uns soweit im Westen, dass hier die Sonne nach Mitteleuropäischer Zeit erst gegen 22:00 Uhr untergeht.
Da auf der Charente die Schleusen von der Mannschaft selbst bedient werden müssen, krempelt die Crew schon die Ärmel hoch, aber in Cognac gibt es ein paar Burschen, die sich gerne ein Trinkgeld verdienen und uns die Arbeit abnehmen. Gegen 19:00 Uhr kommen wir zu einem kleinen Anleger vor dem Schloss von Saint-Brice, wo wir für heute genug haben: hier wollen wir die Nacht verbringen. Der Schlosspark ist reizend mit seinen pittoresk geschnittenen Büschen. Natürlich wollen wir unser Boot mit der österreichischen Fahne beflaggen. Die Pénichette hat zwei Fahnenstangen, eine am Bug, eine am Heck, also rolle ich den auf der vorderen Stange angebrachten Locaboat-Wimpel kurzerhand ein, fixiere ihn mit einem Kabelbinder und hisse dort unsere mitgebrachte Bootsfahne in Rot-Weiß-Rot.

Im Verlauf des Abends setzt Regen ein. Abendessen an Bord.

Tagesleistung

Strecke:

Cognac –Saint-Brice

Fahrkilometer:

7

Schleusenkammern:

1

Reine Fahrzeit:

1 Stunde 5 Minuten

Samstag, 24. Mai 2008
In der Früh regnet es noch immer bei einer Außentemperatur von 16°.  Franz, unser Frühaufsteher, hat bereits versucht im Ort Saint-Brice ein Baguette aufzutreiben, aber dort gibt es rein gar nichts. Da das Wetter nicht zum Bootfahren einlädt, versuchen wir es mit Hinhaltetaktik und vertrödeln den Vormittag. Bei der Körperpflege suche ich verzweifelt nach einem Rasierstecker, den es auf unseren bisherigen Booten immer gab, hier aber nicht. Also beschließe ich mir einen Bart wachsen zu lassen.
Gegen 11:00 Uhr hört der Regen wirklich auf und wir machen die Leinen los. Nun müssen wir uns aber ernsthaft auf die Schleusenarbeit einstellen: es sind Selbstbedienungsschleusen.
Wir müssen also zunächst am Warteponton festmachen und idealerweise 2 Crew-Mitglieder zur Schleuse entsenden. Die müssen erforderlichenfalls die Schleuse fluten und die Schleusentore öffnen. Nach Einfahren des Bootes sind die Schleusentore wieder zu schließen und die gegenüberliegenden Schleusenschieber zu öffnen. Wenn das Wasser das richtige Niveau erreicht hat, können die Schleusentore geöffnet und die Schieber wieder geschlossen werden. Das Boot fährt aus und macht am anderen Warteponton fest. Danach müssen die Schleusentore wieder geschlossen werden. Ein solcher Vorgang dauert 20-30 Minuten. Die Schleusen sind alle technisch gut in Schuss, die Bedienung der Tore und Schieber erfolgt mit großen Metallrädern, die eine gute Übersetzung gewährleisten. Trotzdem steckt da einige Knochenarbeit dahinter.
Gegen 13:30 Uhr erreichen wir die Stadt Jarnac, wo wir nach einem passenden Anlegeplatz suchen. Neben der Bootsbasis der Firma Crown-Blue-Line befindet sich eine Kaimauer, an der wir anlegen wollen. Zwischen herunter hängenden Weiden finden wir ein Plätzchen, stellen jedoch erst im letzten Moment fest, dass es dort keine Möglichkeit zum Festmachen des Bootes gibt. Also halbe Kraft rückwärts, aber die Weidenzweige verhängen sich in unseren Fahrrädern und es dauert eine Weile, bis wir das Chaos aufgelöst haben. Ein Stück weiter, unterhalb der Brücke, finden wir dann einen gut ausgebauten Anlegesteg. „Zuerst schauen, dann handeln“ wäre hier angesagt gewesen!
Wir nehmen einen kalten Mittagsimbiss, dann machen Elisabeth und ich eine Einkaufstour zum Lebensmittelhändler, der um 15:00 Uhr öffnet. Danach legen wir wieder ab. Bei der Schleuse Jarnac haben wir jede Menge Zuschauer. Die hier ansässigen Cognac-Brennereien ziehen eine Vielzahl von Touristen an, die bei ihrem Stadtrundgang die Schleuse überqueren müssen. So sind wir nicht nur Schleusen-, sondern auch Brückenwärter. Leider haben wir zu spät daran gedacht Brückenmaut einzuheben.
Etwa um 17:20 Uhr haben wir die Schleuse Saintonge passiert und finden im Oberwasser einen ruhigen Schleusenkanal mit wunderbaren Bäumen am Ufer, der zu einer Übernachtung im Grünen einlädt. Die Sonne kommt heraus und Elisabeth und Franz rüsten sich zu einer Besichtungstour ins nahe gelegene Kloster Bassac. Die Wegstrecke hin und zurück beträgt gute 3 Kilometer. Regina und ich faulenzen an Bord. 
Zum Abendessen zaubert Elisabeth Bratwürstel mit Kartoffeln und Salat auf den Tisch, ist aber mit dem Backrohr nicht ganz zufrieden, weil es über keine Oberhitze oder Grillfunktion verfügt. Dafür ist aber der Kühlschrank höchst zufriedenstellend: großer Stauraum für Durstige, hervorragende Kühlleistung.
Vor Sonnenuntergang nehmen wir angesichts des freundlichen Wetters unsere Schiffstaufe vor: das Boot heißt zwar schon "Saintonge", aber nachdem bei uns alle Boote auf den Namen unseres Heimatbezirkes in Wien, Brigittenau, getauft werden, erhält es den Doppelnamen „Brigittenau-Saintonge“. Mit einem Gläschen Crème de Bourgogne wird der Festakt besiegelt.

Tagesleistung

Strecke:

Saint-Brice - Bassac

Fahrkilometer:

15

Schleusenkammern:

5

Reine Fahrzeit:

3 Stunden 58 Minuten

Sonntag, 25. Mai 2008 (Muttertag in Frankreich)
Heute haben wir nur 12° Morgentemperatur, dafür lacht die Sonne vom blauen Himmel. Wir legen gegen 08:30 Uhr ab, fahren aber nur etwa 10 Minuten zum Anleger von Graves, wo wir unseren Bord-Wasservorrat ergänzen. 
Die Pénichette ist sehr angenehm zu steuern, weil man ziemlich weit hinten sitzt, nur mit dem klein dimensionierten Oberdeck (Flying Bridge) kommen wir nicht gut zurecht. Der Tisch und der Sitz für den Steuermann sind fix montiert. Bei Leinenmanövern kommt es immer wieder zu Querbewegungen auf der Brücke, und da muss man aufstehen um sich gegenseitig Platz zu machen. Die eigentlichen Heckklampen sind etwas schwer zugänglich und wurden von uns nur zum Festmachen auf längere Dauer benützt.

Wir machen um 09:40 Uhr im Ort Juac halt, der in der Wasserkarte als besonders romantisch gepriesen wird. Na, besonders viel ist nicht zu sehen, außer einer Gabarre (Nachbau eines früheren Segel-Leichters), die gerade für eine Ausfahrt vorbereitet wird.  Einen Kilometer weiter machen wir auch in Saint-Simon, einem ehemaligen Werfthafen, halt und folgen einem beschilderten Weg rund um das Dorf, der uns an den verschiedenen Handwerkerhäusern vorbeiführt. Wir fahren weiter und erreichen schließlich gegen 12:30 Uhr die Stadt Châteauneuf-sur-Charente, wo wir einen netten Liegeplatz auf einer kleinen Flussinsel finden. 
Nach einem kalten Mittagsimbiss starten wir zu einem kleinen Rundgang durch die freundliche Stadt und besuchen die interessante romanische Kirche. Gegen 14:30 Uhr setzen wir unsere Fahrt fort und es beginnt schon wieder zu regnen.
Die Charente wurde früher häufig für Mühlen und Fabriken genutzt, es gibt daher immer wieder Mühlbäche und Verbindungskanäle zwischen dem Schifffahrtskanal und dem Hauptfluss. Auch Inseln finden sich mitunter im Flussverlauf. Leider sind diese oft unübersichtlichen Verzweigungen kaum beschildert, sodass der Navigator ständig die Wasserkarte in der Hand haben muss. Als besonders angenehm hat sich mein GPS-Gerät erwiesen, das ich mit einer französischen Wanderkarte bestückt habe. Dadurch ist die aktuelle Position am Fluss immer bekannt und ich kann den Gefahrenstellen rechtzeitig ausweichen.
Nach der Durchfahrt durch die Schleuse Malvy bleiben wir bei starkem Regen am oberen Warteponton liegen, um zu sehen, wie sich das Wetter weiter entwickelt. Nach 45 Minuten gibt es endlich eine kleine Regenpause, in der wir bis Saint-Simeux weiterfahren und um 16:20 Uhr direkt gegenüber dem dortigen Pub-Restaurant unseren Nachtplatz einrichten. Es gießt aus allen Rohren, ein Wetter, wo man keinen Hund hinausjagen würde. Auf der anderen Seite des Flusses herrscht Muttertagsstimmung mit Live-Musik. Wir lassen uns von Elisabeths Kochkünsten verwöhnen…

Tagesleistung

Strecke:

Bassac - Châteauneuf-sur-Charente - Saint-Simeux

Fahrkilometer:

14

Schleusenkammern:

4

Reine Fahrzeit:

3 Stunden 27 Minuten

Montag, 26. Mai 2008
Heute ist es sonnig, bei einer Frühtemperatur von 15°. Franz war schon mit dem Rad unterwegs, konnte aber weder in Saint-Simeux, noch im Nachbarort eine Einkaufsmöglichkeit entdecken. Wir legen gegen 08:30 Uhr ab und plagen uns mit den nächsten beiden Schleusen ab, die sich nicht öffnen lassen wollen. 
Offensichtlich drückt die Strömung über Nacht Wasser in die Schleuse, die dann unten nicht mehr abfließt und somit eine kleine Gefälledifferenz aufweist. Langsam wird uns klar, dass der frühe Vogel zwar den ersten Wurm fängt, aber zusätzlich durch Öffnen der Schleusenschieber den nicht sichtbaren Überdruck erst einmal ausgleichen muss.
In Sireuil machen wir am Anleger fest, Franz und ich fahren mit dem Fahrrad in den Ort, wo wir auch endlich einen Bäcker finden, der uns Baguettes und Kuchen verkauft. Der Lebensmittelladen gleich um die Ecke ist montags leider geschlossen.
In der Schleuse La Motte werden Wartungsarbeiten durchgeführt. Man kärchert von einem Arbeitsboot, das in der Schleuse liegt, gerade die Schleusentore. Zuerst kündigt man uns eine halbe Stunde Wartezeit an, dann haben die Männer aber doch ein Einsehen und helfen uns sogar beim Durchschleusen.
Im Unterwasser der Schleuse Fleurac gibt es einen langen Anleger, der mehrere Boote aufnehmen kann. Hier machen wir Mittagspause und speisen erstmals an Oberdeck. Die Lage an ein paar Flussinseln ist idyllisch und ruhig, abgesehen von ein paar Youngsters, die am Treppelweg unbedingt ihre Mopeds ausprobieren müssen. Aber man kann nicht alles haben! Das Mittagessen wird von einem Regenguss unterbrochen. Elisabeth, Franz und ich gehen, mit Schirm bewaffnet, über mehrere Stege auf die andere Flussseite, wo sich ein Papiermuseum befinden soll. Dieses hat aber leider geschlossen (Mittagspause?) und sonst ist dort absolut nichts los. 
Gegen 13:50 Uhr legen wir wieder ab und fahren bei immer wieder einsetzendem Regen Richtung Angoulême. 
Je weiter wir die Charente aufwärts kommen, umso schwieriger wird das Befahren der Schleusen. Die Schleusentore liegen hier unmittelbar neben den Überlaufwehren, von wo aus heftige Wasserströmungen schräg auf das Boot treffen und uns immer wieder vom rechten Kurs abbringen. Besonders die Schleuse Basseau macht mir das Leben schwer und ich brauche drei Anläufe, bis ich den Wartesteg, der hier direkt an das untere Schleusentor angebaut ist, erreichen kann.
Um etwa 16:40 Uhr erreichen wir Angoulême, das über einen großzügig ausgebauten Anlegeplatz im Ortsteil L’Houmeau verfügt. Wie bestellt, hört der Regen auf, und man sieht ein wenig Blau durch die Wolken. Schnell machen wir uns für einen Landgang bereit und marschieren die steile Straße hinauf in die Altstadt. Sie erweist sich als lebhaft und interessant mit vielen Kulturdenkmälern und vor allem einer prachtvollen Aussicht von den Stadtmauern hinunter ins Tal der Charente. 
Während unseres Rundganges kommt die Sonne voll heraus und wir schwitzen mit unseren Regensachen, die wir aus bisherigen Erfahrungen natürlich immer mit uns herumschleppen. Wir stoßen auf einen Laden der Chocolaterie „Letuffe“, die ihre Pralinen in Trois-Palis, nahe am Fluss, erzeugt. Da wir dort auf eine Besichtigung verzichtet hatten, schlagen wir jetzt zu und decken uns mit den köstlichen Naschereien ein. Schließlich streifen wir noch durch die Fußgängerzone und nehmen unser Abendessen im Restaurant Le Goulbenèze, 11 Rue Massillon, ein. Nach köstlichem Mahl fällt uns der Rückweg schon viel leichter, es kann aber auch daran liegen, dass es jetzt abwärts geht. Rückkunft an Bord gegen 21:30 Uhr.

Tagesleistung

Strecke:

Saint-Simeux – Angoulême

Fahrkilometer:

23

Schleusenkammern:

8

Reine Fahrzeit:

6 Stunden 13 Minuten

Dienstag, 27. Mai 2008
Heute ist es wieder bewölkt bei nur 10° Morgentemperatur. Hier im Hafen L’Houmeau hat Franz gestern einen Bäcker entdeckt, den er heute Morgen um 07:30 Uhr bereits um ein paar Baguettes erleichtern konnte. Der Fleischer ist ein Langschläfer und der Lebensmittelhändler hat sein Geschäft schon ganz aufgegeben. Wir nehmen den Wasseranschluss gerne zur Kenntnis und füllen unseren Tank bis zum Kragenknopf. 
Gegen 08:45 Uhr legen wir ab und fahren nun den Fluss abwärts. Kurz danach fängt es wieder zu regnen an. Nun muss ich deutlich bemerken, dass die vielen Regenfälle der letzten Tage die in den Prospekten als ruhig und sanft beschriebene Charente zu einem Fluss mit ganz schön heftiger Strömung gemacht haben. Langsamer als der Fluss kann man ja nicht fahren und so gibt es immer wieder Probleme beim Einfahren in bzw. Ausfahren aus der Strömung, insbesondere bei den Schleusenkanälen. Die Schleuse Basseau hat es besonders auf mich abgesehen. Wir verheddern uns bei der Ausfahrt mit einem Fender in einer Abweiserwand aus Holzplanken. Zurück geht es auch nicht mehr, denn da befindet sich das geschlossene Schleusentor. Volle Kraft voraus zwängt die Fenderleine nur noch mehr in die Holzspalte. Beinahe hätten wir die ganze Abweiserwand aus der Verankerung gerissen, aber irgendwie sind wir dann doch losgekommen und mit Vollgas in die Strömung eingetaucht, damit wir nicht gleich wieder an Land gespült werden.
Gegen 11:15 Uhr sind wir wieder bei der Schleuse Fleurac und legen am komfortablen Anleger eine Pause ein, da der Regen wieder recht heftig ist und wir bei den Schleusenmanövern immer ziemlich durchnässt werden. Wir nehmen Kaffee und Kuchen und setzen unsere Fahrt um etwa 13:30 Uhr wieder fort. Auch einige der folgenden Schleusen haben ihre Tücken, denn sie haben im Oberwasser nur eine ganz kurze Schleusenzufahrt und der obere Warteponton liegt noch in der Flussströmung. Ein Anlegemanöver ist hier nur gegen die Fließrichtung möglich, also gibt es immer noch zwei Ehrenrunden als Draufgabe. Das Einfahren in die Schleuse muss dann mit ziemlichem Tempo erfolgen, denn sonst überholt einen das Heck…
Da der Regen immer heftiger wird, werfen wir das Handtuch und beschließen, die Nacht am Anleger in Sireuil zu verbringen, wo wir um 15:20 Uhr festmachen. Da wir ohnehin schon triefnass sind, schicken wir gleich einen Stoßtrupp zum Lebensmittelgeschäft im Ort, das circa 15 Minuten Fußweg entfernt liegt. Angezogen wie die Alaskafischer, werden wir von den Einheimischen argwöhnisch betrachtet, aber wir sorgen für einen guten Umsatz und ziehen mit prall gefüllten Rucksäcken wieder in den Regen hinaus.
Bei unserer Rückkehr sehe ich mit Entsetzen, dass das Wasser schon fast den Anlegesteg erreicht hat und die Fender unseres Bootes nur mehr in der Luft hängen. Zum Glück hat der Anlegesteg eine zweite Ebene, die etwa 30 Zentimeter höher liegt. Also verlegen wir das Boot im Mannschaftszug um ein paar Meter nach hinten, schlagen einen Nagel ein und verheften das Boot neu. Dann bin ich zufrieden, nun können wir noch ein bisschen Hochwasser abreiten. Jetzt aber unter Deck und trocken gelegt!
An dieser Stelle muss die hervorragende Heizung der Pénichette erwähnt werden, die nicht als Gebläseheizung, sondern als Zentralheizung, gekoppelt mit der Warmwasseraufbereitung, konzipiert ist. Damit konnten wir unsere durchnässte Kleidung über Nacht immer wieder vom Wasser befreien.
Als wir schon trocken und gemütlich um den Tisch sitzen, fährt am Treppelweg ein Kastenwagen vor, aus steigt ein Mann, der sich als Ehemann der Lebensmittelhändlerin vorstellt. Es tue ihm furchtbar leid, aber seine Frau habe uns die falschen Briefmarken verkauft, jene für das Inland und nicht die für das Ausland! Da er die anderen Marken aber nicht vorrätig hat, nimmt er die gekauften Marken wieder gegen Bargeld zurück. So ein Service gibt’s nicht überall!
Elisabeth verwöhnt uns mit einem warmen Nachtmahl und im Kurzwellenradio empfangen wir den Sender „Ö1“, der uns über eine Hitzewelle in Österreich informiert.

Tagesleistung

Strecke:

Angoulême - Sireuil

Fahrkilometer:

19

Schleusenkammern:

6

Reine Fahrzeit:

4 Stunden 23 Minuten

Mittwoch, 28. Mai 2008
Endlich Wetterbesserung! Heute ist es nur leicht wolkig und hat eine Morgentemperatur von 13°. Der Luftdruck steigt stark. Franz geht vergebens zum Bäcker, der hat Mittwoch Ruhetag und der Lebensmittelhändler noch nicht offen. Gegen 08:30 Uhr legen wir ab. Das Schönwetter hat an der üppigen Wasserführung nichts geändert: Mindestgeschwindigkeit 15 Stundenkilometer. 
Bei der Schleuse Vibrac haben wir ein ganz spezielles Problem: der untere Warteponton, der hier als Betonkai ausgeführt ist, steht circa 15 Zentimeter unter Wasser. Wie sollen wir das unsere Schleusenmannschaft wieder aufnehmen? Den Gedanken, diese mit dem Rad zur nächsten Schleuse nach fahren zu lassen, verwerfen wir aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, also gibt es nur eines: Hose aufkrempeln, Schuhe ausziehen und Kneipp-Kur machen!
Um 12:30 Uhr machen wir im Schleusenkanal Saintonge halt und genießen Spaghetti in der Sonne an Deck. Anschließend verfallen wir in ein kleines Mittagsschläfchen, das jedoch durch den Traktormäher, der die Uferböschungen beschneidet, ein jähes Ende findet. Um 14:15 Uhr stechen wir wieder in See. An der Schleuse Jarnac werden wir wieder von einer jugendlichen Schleusenmannschaft erwartet, die uns gegen Bakschisch die Arbeit abnimmt. 
Wir legen am schon bekannten Halteplatz von Jarnac um 15:45 Uhr an und machen uns zu einem Landgang bereit.
Unser   erster Weg führt uns ins Cognac-Museum der Firma Courvoisier, die in Jarnac ihre Produktionsstätte hat. Das Museum ist in einem modernen Anbau an das schlossartige Firmengebäude untergebracht. Der Eintritt kostet zwischen 7 und 10 Euro, je nachdem, welche Cognac-Qualität man im Anschluss verkosten möchte. Da wir nicht wirklich zu den Cognac-Gurus gehören, nehmen wir zwei Karten von jeder Sorte und bekommen eine Individualführung in englischer Sprache. Der Produktionsvorgang wird sehr anschaulich geschildert, das Museum enthält auch einige persönliche Gegenstände von Napoleon I., der Courvoisier zu seiner Leibmarke gemacht hatte. Nach einem Film (in deutscher Sprache) werden wir zur Verkostung gebeten. Jeder erhält einen Finger hoch von dem Stoff, den er bezahlt hat, VSOP oder VS. 
Kaufen kann man natürlich auch die ältesten Jahrgänge zu astronomischen Preisen. Was mir sehr in Erinnerung bleibt, ist die Aussage, dass der Grundwein für die Cognac-Erzeugung untrinkbar ist, man kann ihn nur destillieren. Schon interessant, wie viel Geld man aus unbrauchbaren Sachen machen kann. Aber ein anderes Nebenprodukt der Cognac-Erzeugung haben wir lieben gelernt: den „Pineau des Charentes“. Das ist eine fermentierte Mischung aus Cognac und Traubensaft, die gerne zum Aromatisieren von Melonen- und anderen Obstsalaten verwendet wird, aber gut gekühlt, auch als Aperitif bei uns an Bord reißenden Absatz findet.
Anschließend machen wir eine kleine Runde durch die freundliche Stadt und können uns jetzt endlich erklären, warum in der ganzen Region viele Gebäude von außen so schwarz gefärbt sind, wie zu früheren Zeiten im Ostblock: es ist der „Anteil der Engel“ (französisch: part d’ange). Bei der Lagerung des Cognacs verdunstet ein gewisser Teil des Alkohols und führt zum Befall mit einem schwarzen Mikropilz an den Hauswänden.
Nach einem Einkauf beim Lebensmittelhändler kommen wir an Bord zurück und wollen dann ins Restaurant gehen. Aber es zieht ein fürchterliches Gewitter auf und wir beschließen zu Hause zu bleiben. Abendessen an Bord.

Tagesleistung

Strecke:

Sireuil - Jarnac

Fahrkilometer:

27

Schleusenkammern:

9

Reine Fahrzeit:

5 Stunden 33 Minuten

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