Canal du Midi im Frühjahr 2000
2 Wochen vom 20. Mai bis 3. Juni
Boot: Connoisseur Flying Bridge 1140
Basis: Narbonne

Vor 2 Jahren hatten wir erstmals Frankreichs Bootsreviere auf der Saône kennen und lieben gelernt. Da wir damals mit dem Wettergott nicht ganz zufrieden waren, reifte in uns der Entschluss, es doch einmal weiter im Süden zu versuchen, wobei unsere Wahl auf den Canal du Midi fiel.

Wie ich gehört habe, soll es 2 Sorten von Hausbootfahrern geben: die Planer und die Intuitiven. Da ich eindeutig zur ersteren Sorte gehöre, wurde die entsprechende Literatur samt Kartenunterlagen beschafft und die Planung in Angriff genommen. Das Schöne an dieser Methode ist, dass man den Urlaub zweimal erleben kann: einmal auf dem Papier und dann in der Realität.

Jedenfalls hatten wir schon eine ziemlich genaue Vorstellung von unserer Reise, als wir am 18. Mai Wien verließen. Um uns während der langen Anreise im Auto nicht dauernd mit der Suche nach dem Anderen beschäftigen zu müssen, fuhren wir gemeinsam in einem Auto. Der Gepäckraum war dabei kein Problem, da wir bereits bei unserem letzten Hausbooturlaub lernen mussten, dass man mit relativ wenig Kleidung das Auslangen findet und wegen der Verstaumöglichkeit an Bord statt Koffer besser Reisetaschen mitnimmt.

Für die Anreise wählten wir den Weg über die Schweiz und nächtigten, da wir keine Freunde großer Tagesetappen sind, gleich einmal in Feldkirch. Am nächsten Tag ging’s durch die Schweiz und über Grenoble bis Valence im Rhônetal. Die letzte kurze Etappe führte uns weiter nach Narbonne.

Nachfolgend eine Zusammenfassung unseres Bordbuches:

Samstag, 20. Mai 2000
Da wir mit dem Auto bereits gegen 1200 Uhr in Narbonne ankommen, das Boot aber erst ab 1400 Uhr übernehmen können, beschließen wir, die gewonnene Zeit am Meer zu verbringen und fahren bei der Autobahnabfahrt Narbonne-Ost nicht ins Zentrum, sondern Richtung Süden, nach Gruissan. Dort gibt’s einerseits ein reizendes altes Städtchen an einem Lagunensee, andererseits einen der üblichen neu erbauten Badeorte mit nichtssagenden Geschäften und Lokalen. Nach ein paar Kilometern kommt man dann bei "Griussan-Plage" wirklich ans Meer mit einem sehr schönen Sandstand. 

Um 1400 Uhr sind wir pünktlich in Narbonne, bei Connoisseur Cruisers, am Quai d’Alsace. Wie wir erstaunt feststellen müssen, liegt die Basis mitten im Stadtgebiet am öffentlich zugänglichen Ufer des Kanals. Das Auto parkt an der Uferstraße, so braucht man das Gepäck nur wenige Meter zum Boot tragen. Nun noch schnell eine Fahrt in den Casino-Supermarkt, wo wir uns mit Vorräten eindecken, dann melden wir uns "bereit zur Instruktion". Im Büro wird auch deutsch gesprochen, der Instruktor ist jedoch auf englisch fixiert, was aber nicht viel ausmacht, weil wir den Bootstyp, eine Connoisseur Flying Bridge 1140, ohnehin bereits kennen. Neu war für uns lediglich, dass der allmorgendliche Motorcheck nicht mehr verlangt wird. Unser Auto wird für die nächsten 2 Wochen in einer Nebengasse in einer Garage eingesperrt, dann geht’s kurz nach 1700 Uhr endlich los ! Da die Schleusen um 1900 Uhr den Betrieb einstellen, schaffen wir es nicht mehr bis Sallèles d’Aude, unserem geplanten Tagesziel, sondern finden bei der Schutzschleuse von Moussoulens ein nettes Plätzchen für die Nacht.

Die Frage, ob wir die von uns mitgebrachte Fahne angesichts der EU-Sanktionen gegen Österreich hissen sollen, wird mit 2:1 bei einer Enthaltung abgelehnt.


Tagesleistung

Strecke:

Narbonne - Moussoulens

Fahrkilometer:

9

Schleusenkammern:

2

Fahrzeit:

1700 - 1900 Uhr

 

Sonntag, 21. Mai 2000  
Das Wetter ist prächtig. Trotzdem verträgt man bei Frühtemperaturen von ca. 15 Grad einen warmen Sweater. Wir überqueren die Aude unter besonderer Beobachtung der angekündigten Sandbank und kommen schließlich nach Sallèles d’Aude, wo Franz während des Schleusenmannövers schnell ein paar frische Baguettes einkaufen kann. Dann folgen wir dem Verbindungskanal, der uns mit vielen kleinen Schleusen auf die Höhe des Canal du Midi hinauf führt. Schleusenwärter gibt’s hier keine, man muss die automatischen Schleusen mit einem "geheimen" Code aktivieren. Um sich das ewige Aus- und Einsteigen zu ersparen, fährt Franz mit dem bordeigenen Fahrrad immer gleich zur nächsten Schleuse voraus, die sich ohnehin in Sichtweite befindet. Nach der Schleuse von Cesse treffen wir auf den Canal du Midi, dem wir nach Westen, Richtung Carcassonne, folgen. Nach wenigen Kilometern kommen wir nach Le Somail, einem kleinen Dörfchen, das wirklich so pittoresk ist, wie es in allen Katalogen dargestellt wird. Wir legen einen Mittagshalt ein und machen danach einen Spaziergang durch den Ort.
Die Weiterfahrt über den Kanal ist sehr idyllisch. Besonders angetan haben es uns die Platanenalleen an beiden Ufern, die manchmal zu einem grünen Blätterdach über uns zusammenwachsen. Gegen Abend treffen wir in Homps ein, wo wir durch einen modern ausgebauten Hafen zum Übernachten eingeladen werden. Der Landgang ist allerdings enttäuschend – nichts los, keine Geschäfte: tote Hose !


Tagesleistung

Strecke:

Moussoulens - Sallèles d’Aude – Le Somail - Homps

Fahrkilometer:

29

Schleusenkammern:

13

Fahrzeit:

0830 - 1745 Uhr

 

Montag, 22. Mai 2000  
Vor der Abfahrt nutzen wir das reichhaltige Angebot an Wasserhähnen in Homps und füllen unseren Tank voll. Dann geht’s weiter Richtung Westen. Die Fahrt durch die idyllische Landschaft wird jetzt häufiger durch Schleusenmannöver unterbrochen. Beim Aufwärts-Schleusen ist Franz immer das Opfer, das vor der Schleuse an Land gesetzt wird, um dann in der Schleuse die Leinen zum Festmachen des Bootes zu übernehmen. Die Schleusen werden von hilfreichen und durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Schleusenwärtern bedient, denen wir auch gerne ein Trinkgeld geben. Das spricht sich schnell von Schleuse zu Schleuse herum !
Der Hafen von Trèbes, unser Tagesziel, ist sehr gut besucht, sodass wir mit einem etwas abseits befindlichen Liegeplatz Vorlieb nehmen müssen. Der Einkaufsbummel in den angeblich nur 5 Minuten entfernten Supermarkt entpuppt sich als "Weitwanderweg" mit beträchtlicher Vergrößerung unserer Armlänge durch Schleppen der schweren Einkaufstaschen. Um unsere Barschaften aufzufüllen, wollen wir Geld aus dem Bankomat ziehen, aber Regina hat den hundertemal verwendeten Code plötzlich vergessen. Ich mache einstweilen einen Rundgang durch die Altstadt – währenddessen fällt er ihr glücklicherweise wieder ein !


Tagesleistung

Strecke:

Homps - Trèbes

Fahrkilometer:

28

Schleusenkammern:

14

Fahrzeit:

0850 - 1720 Uhr

 

Dienstag, 23. Mai 2000  
Schon bald hinter Trèbes sieht man die mächtigen Burgmauern von Carcassonne am Horizont. Da der Kanal aber eine große Schleife zieht, dauert es doch bis Mittag, bis man die Stadt erreicht. Eine Stadtbesichtigung haben wir erst für die Rückfahrt geplant, daher fahren wir hier nur durch. Als heutiges Tagesziel haben wir Sauzens geplant, was wir der gesprächigen Schleusenwärterin von La Lande auch anvertrauen. Bei näherer Betrachtung gefällt es uns dann dort aber überhaupt nicht, sodass wir beschließen, bis Villesèquelande weiterzufahren. In der nächsten Schleuse kommen wir aber sehr ungelegen, weil dort gerade das Schleusentor umgebaut und geschweißt wird – und wir waren von der letzten Schleuse ja nicht angemeldet worden ! Trotzdem werden wir bedient und der Bautrupp möchte, nachdem wir uns als Wiener zu erkennen geben, mit Elisabeth einen Walzer tanzen. Diese kämpft aber gerade mit Magenproblemen und lehnt dankend ab.
Villesèquelande ist ein Ort zum "mit der Seele baumeln ..." und verfügt über einen idyllischen Anlegeplatz, an dem wir uns sofort wohl fühlen. Wir genießen den sonnigen Nachmittag an Bord. Zuletzt machen wir noch einen Radausflug in das Dorf und besuchen das kleine Lebensmittelgeschäft. Nach Sonnenuntergang macht sich allerlei Getier zwischen den Wurzeln der Uferplatanen bemerkbar. Sie schwimmen in weitem Bogen um unser Boot herum und weiter den Kanal aufwärts, nur junge Rabauken tollen im Ufergesträuch umher. Wir können die Tiere nicht eindeutig identifizieren. Es sind jedenfalls Nager, zu klein für Biber oder Nutrias, wir tippen auf Bisamratten !


Tagesleistung

Strecke:

Trèbes - Carcassonne - Villesèquelande

Fahrkilometer:

25

Schleusenkammern:

12

Fahrzeit:

0850 - 1650 Uhr

 

Mittwoch, 24. Mai 2000
Diese Tagesetappe soll uns nur bis Carcassone führen und den Rest des Tages zur Stadtbesichtigung freihalten. In der Schleuse von Herminis gibt es ein kleines Problem: Regina, die wie immer an der Heckleine arbeitet, übersieht einen Spalt in der Schleusenmauer und genau in diesen gerät die Leine, wobei das freie Ende unter das feste Ende zu liegen kommt. Durch das Absenken des Wasserspiegels wird der Druck auf die Leine immer größer und wir hängen fest. Nach einigen Aufregungen lässt der geduldige Schleusenwärter nochmals Wasser in die Schleuse ein, bis wir uns selbst befreien können.
Gegen Mittag sind wir endlich in Carcassonne. Der Hafen ist ziemlich überfüllt, aber kurz unterhalb der Eisenbahnbrücke finden wir noch einen Liegeplatz. Elisabeth leidet noch immer am "Südlichen Verdauungssyndrom" und bleibt an Bord, der Rest der Mannschaft zieht bei brütender Hitze zur Stadtbesichtigung ab. Nach halbstündigem Anmarsch erreichen wir schon ziemlich geschlaucht die Altstadt. Neben dem Parkplatz vor der Burg fallen wir in das Restaurant "La Rapière", wo wir im schattigen Garten ausgezeichnet speisen. Franz muss unbedingt die regionale Spezialität "Cassoulet" ausprobieren, was sich schließlich als Bohneneintopf mit Schweineschwarten, Würsten und Geflügelstücken herausstellt. Na ja, ein wenig deftig – aber Spezialitäten müssen eben durchgekostet werden ! Nach dieser Stärkung widmen wir uns dann endlich der Besichtigung der Burgstadt von Carcassonne, die wirklich ein kultureller Leckerbissen ist und hier gar nicht entsprechend gewürdigt werden kann.
Gegen 1700 Uhr sind wir wieder zurück beim Boot – aber o Schreck – es hängt nur mehr an einer Leine ! Der eine Nagel ist ausgerissen und ins Wasser gefallen, der zweite hält auch nur mehr aus purer Freundschaft. Elisabeth schläft den Schlaf der Genesung und hat von alledem nichts gemerkt. Wir beschließen gleich abzulegen und uns für die Nacht einen anderen Liegeplatz zu suchen. Franz holt den noch verbliebenen Nagel ein, stößt das Boot ab und will gerade an Bord steigen – da rutscht er ab und fällt zwischen Bordwand und Steilufer in den Kanal ! Nach ein paar Schrecksekunden helfen wir ihm wieder heraus. Er klagt über Schulterschmerzen und verschwindet sofort in der Dusche, da er über und über mit Schlamm bedeckt ist. Ich kann ohne Mannschaft das Ablegemanöver auch nicht mehr abbrechen und beschließe zunächst einmal weiterzufahren. Nach einigen Minuten erscheint Franz wieder an Deck, zwar gesäubert, aber mit einer Schulter, die nicht gut aussieht und heftig schmerzt. Allen ist bald klar: wir brauchen einen Arzt ! Da die nächste Schleuse (St. Jean) nicht mehr weit ist, fahren wir bis dorthin weiter und machen im Stauraum der Schleuse fest. Ich wende mich mit unserem Problem an die freundliche Schleusenwärterin, die uns sofort ein Taxi bestellt und uns empfiehlt, in die "Clinique Montréal" in Carcassonne zu fahren. Dort wird Franz röntgenisiert und eine Schulterluxation festgestellt. Da diese nur unter Vollnarkose wieder eingerichtet werden kann, muss Franz über Nacht im Spital bleiben. Als der Anästesist ihn fragt, wann und was er zuletzt gegessen hätte, löst seine Antwort "Cassoulet" heftiges Gelächter bei den Medizinern aus. Ich selbst muss mich noch durch die Aufnahmeprozedur kämpfen, die dadurch erschwert wird, dass Franz keinen Urlaubskrankenschein mit hat.
Schließlich fahre ich mit dem Taxi wieder nach St. Jean zurück und kann endlich die an Bord zurückgebliebenen Frauen über den Gesundheitszustand informieren. Auch die reizende Schleusenwärterin kommt besorgt fragen und bietet uns an, nötigenfalls auch in der Nacht bei ihrem Häuschen anzuklopfen, wenn wir ein Problem hätten.


Tagesleistung

Strecke:

Villesèquelande – Carcassonne – St.Jean

Fahrkilometer:

17

Schleusenkammern:

6

Fahrzeit:

0830 - 1730 Uhr

 

Donnerstag, 25. Mai 2000  
Schon um 0800 Uhr bin ich mit dem Taxi wieder unterwegs in die Klinik um unseren Franz aus den Klauen der "Karbolmäuschen" zu befreien. Er ist auch schon wieder guter Dinge, fast schmerzfrei und wird mit einem riesigen Fixierverband mit Klettverschluss aus dem Spital entlassen. Erfreulicherweise müssen wir keinen Centime im Spital bezahlen, obwohl die Sache mit der Sozialversicherung nicht so ganz astrein nachzuweisen war. Wieder an Bord halten wir Kriegsrat, wie es mit unserer Reise weitergehen soll. Franz hält sich für fit genug, die Fahrt fortzusetzen, wir anderen sind ein bisschen skeptisch, aber da es ohnehin "bergab" geht, ist das Schleusen ziemlich bequem und wir wollen es erst einmal versuchen. Herzlich verabschieden wir uns von unserer freundlichen Schleusenwärterin, dann legen wir ab.
In Trèbes machen wir Mittagspause, tanken Wasser und versuchen in der dortigen Connoisseur-Basis den verlorenen Eisennagel zu ergänzen – leider vergeblich, ist nicht lagernd !
Abends legen wir in Marseillette an. Ein Ortsspaziergang reißt uns nicht von den Stühlen, das Dorf ist wie ausgestorben. Dafür ist der Friedhof interessant, er besteht fast nur aus monumentalen Gruften und Mausoleen. Die Stimmung an Bord ist sehr gedrückt, uns sitzt der Schock des letzten Tages noch in den Knochen.


Tagesleistung

Strecke:

St. Jean – Trèbes - Marseillette

Fahrkilometer:

36

Schleusenkammern:

9

Fahrzeit:

0930 - 1630 Uhr

 

Freitag, 26. Mai 2000  
Na, heute sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Franz fühlt sich wieder fit und nimmt seine Hand schon fallweise aus der Schlinge, wenn er keine Bootsarbeiten zu verrichten hat. Wir legen voller Tatendrang ab, gelangen aber nur bis zur Schleuse Marseillette, die geschlossen ist, weil der Schleusenwärter seinen Garten gießt und uns auf meine Anfrage auch noch vertröstet (Wartezeit 30 Minuten).
Mittags fassen wir Wasser in Laredorte und wollen im Restaurant "La Rivassel" direkt am Kanal einkehren – in der Vorsaison leider geschlossen. Als Spähtrupp fahre ich mit dem Rad in den Ort um nach einem anderen Restaurant zu suchen. Ich entdecke schließlich das Restaurant "De la Gare", wo wir mit einem Menü um 72 FF (Vorspeisenbüffet, Hauptspeise, Käse, Nachspeise, incl. Wein) sehr zufrieden sind. Gleich in der Nähe finden wir einen großen Supermarkt, wo wir unsere Vorräte wieder ergänzen können.
Am Abend entdecken wir einen idyllischen Anlegeplatz beim Schloss Bassanel (Km 148,5). Wir besuchen die Schosskellerei, wo wir nach einer eingehenden Degustation ein paar Flaschen Rosé zu medizinischen Zwecken erstehen.
In der Nacht bricht ein fürchterliches Gewitter über uns herein.


Tagesleistung

Strecke:

Marseillette – Laredorte – Schloss Bassanel

Fahrkilometer:

21

Schleusenkammern:

14

Fahrzeit:

0845 - 1800 Uhr

 

Fortsetzung zur 2. Reisewoche

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